Ulla Fricke: Die Welt ein bisschen gerechter machen
Ulla Fricke arbeitet seit fast 15 Jahren in der Leitung von Don Bosco Mission Bonn und ist dort für Kommunikation, Bildung und Freiwilligendienst zuständig. Auf ihren Reisen zu Don Bosco Projekten hat sie verstanden, was Armut und Ausgrenzung, Krieg und Gewalt für Kinder und Jugendliche bedeuten – und wie wichtig Solidarität und Hilfe sind. Mit Don Bosco möchte die 42-Jährige dazu beitragen, die Welt etwas gerechter zu machen.
Veröffentlicht am 16.03.2023
Was Armut wirklich heißt, habe ich auf einer Projektreise zu Don Bosco Projekten in Haiti vor zwölf Jahren begriffen. In der Cite Soleil, einem der größten Slums der Welt, besuchten wir einige Familien, deren Kinder in kleine Behelfsschulen von Don Bosco gehen. Ich erinnere mich gut, wie wir gebückt in einer fast völlig finsteren Wellblechhütte standen. Es war unerträglich heiß und erst nach mehreren Minuten erkannte ich die vielen Kinder.
Die Mutter war kaum älter als ich damals und hatte zehn Kinder. Die Prostitution war ihre einzige Einnahmequelle. Sie selber war nie zur Schule gegangen und ihr Blick stumpf und völlig ausgezehrt. Die Kinder waren unnatürlich still. Da an diesem Tag schulfrei war und damit die Schulspeisung ausfiel, hatten sie noch nichts gegessen. Am Tag zuvor war der „Vermieter“ vorbei gekommen und hatte die Miete für die etwa 15 Quadratmeter kassiert. Nie war mir in den Sinn gekommen, dass man für eine illegale Hütte aus Karton und Wellblech Miete zahlen muss.
„Teufelskreis der Armut“
Die Frau war voller Sorge um die vierjährige Tochter, die seit Tagen hohes Fieber hatte. Meine Frage, was die Kleine habe, wurde mit Schulterzucken beantwortet. Unsere Don Bosco Ambulanz hatte ihr Malariamittel verschrieben, das aber nicht anschlug, weitere Behandlungen konnte die Mutter sich nicht leisten und sind in einem Land mit so schlechter Versorgung auch nur schwer möglich. Was das oft verwendete Bild „Teufelskreis der Armut“ bedeutet, habe ich an diesem Tag erst so richtig verstanden. Der Salesianerpater, mit dem ich unterwegs war, hörte der weinenden Frau zu, sprach beruhigend auf sie ein und gab ihr einen kleinen Geldbetrag. Im Hinausgehen machte er einen kleinen Zaubertrick und brachte die Kinder zum Lachen. Diese kleine Geste ist mir besonders eindrücklich im Gedächtnis geblieben.
Don Bosco geht an die Ränder, dort wo nicht viel Hoffnung ist. Sei es bei der Arbeit mit drogensüchtigen Straßenkindern oder mit Familien, die vor Krieg und Gewalt fliehen mussten. Ich bewundere unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Salesianer Don Boscos und die Don Bosco Schwestern für ihre Fähigkeit, Optimismus und Fröhlichkeit zu verbreiten. Und ich finde, es ist ein Privileg, wie wir in Deutschland leben können, in Frieden und materiellem Wohlstand. Wer, wenn nicht wir, kann davon etwas zurückgeben?
Teil einer gemeinsamen Welt
Das versuche ich auch in meiner Arbeit umzusetzen. Zum Beispiel in der Vorbereitung und Begleitung junger Freiwilliger, die im globalen Süden ein Auslandsjahr machen. Für mich ist es spannend zu sehen, wie sie sich verändern, wenn sie wieder zurückkehren und kaum noch Verständnis haben, für deutsche Alltagsprobleme, wie verspätete Züge oder Ähnliches.
Wir alle sind Teil dieser einen gemeinsamen Welt. Unsere Kleidung kommt aus Indien und Vietnam, unser Obst aus Peru und Ägypten, unser Müll landet in Ghana. Wir sind Weltbürger und tragen gemeinsam Sorge für unsere Zukunft. Diese Haltung vermitteln wir in Schulworkshops und internationalen Jugendbegegnungen, für deren Organisation und Finanzierung ich verantwortlich bin. Ich träume davon, diese Welt ein bisschen gerechter zu machen und wünsche mir eine Globalisierung der Solidarität – nicht nur von Konsumgütern. Mit Don Bosco fühle ich mich da auf dem richtigen Weg!