Sr. Annie Enchenatil: Kampf gegen Menschenhandel
Im Nordosten Indiens werden Kinder verschleppt und müssen unter sklavenähnlichen Bedingungen arbeiten. Don Bosco klärt die Familien über die Gefahren auf und stellt Bildungs- und Ausbildungsangebote als Alternativen zur Verfügung, um die Kinder und Jugendlichen vor illegaler Ausbeutung zu schützen. Schwester Annie Enchenatil, Direktorin der regionalen Entwicklungsorganisation der Don Bosco Schwestern, und ihre Mitstreitenden konnten alleine im Zeitraum von 2017 bis 2019 fast 80 Jungen und Mädchen aus den Fängen der Menschenhändler befreien.
Veröffentlicht am 20.06.2023
Viele Menschen arbeiten hier in Assam in den Teegärten. Mindestens ein Mitglied aus jeder Familie pflückt dort an sechs Tagen pro Woche Teeblätter. Doch die Menschen sind arm, viele Familien kinderreich. Die Tageslöhne der Teegartenarbeiter sind sehr niedrig und reichen nicht aus, um über die Runden zu kommen. Dies führt entweder dazu, dass die Jugendlichen auf der Suche nach einer besseren Zukunft weggehen oder dass die Familien selbst ihre Töchter und Söhne zur Arbeit in andere Regionen des Landes schicken. In dieser Situation können sie leicht ausgebeutet werden.
Vor fast acht Jahren haben wir deshalb mit Projekten zur Bekämpfung des Menschenhandels in der Provinz begonnen. Mit Straßentheater, Kundgebungen, Fahrradtouren, Marathons und Vorträgen machen wir die Menschen auf die Problematik aufmerksam. Denn ohne ein entsprechendes Bewusstsein ist es den Menschen nicht möglich, sich zu melden und das Komitee zur Bekämpfung des Menschenhandels (VC) bei Bedarf um Hilfe zu bitten. Das VC ist eine Gruppe Freiwilliger aus verschiedenen Lebensbereichen, die von Auxilium Reach Out (ARO), der Entwicklungsorganisation der Don Bosco Schwestern in der Provinz Guwahati, ausgebildet und betreut werden.
Geholfen hat das VC zum Beispiel im Fall einer Jugendlichen, Monica, damals 16 Jahre alt. Sie wollte sich unbedingt ein Fahrrad kaufen. Weil die Familie nicht genug Geld hatte, verließ sie die Schule, um zu arbeiten und selbst Geld zu verdienen. Über einen Agenten wurde sie nach Delhi vermittelt, wo sie unter schwierigen Umständen, ohne Urlaub und ohne Gehalt, als Hausmädchen arbeiten musste. Nur auf Druck des VC gelang es, das Mädchen zurück zu seiner Familie zu bringen.
Von 2017 bis 2019 konnten wir 78 Jungen und Mädchen aus den Fängen der Menschenhändler befreien. Und wir merken, dass die Fälle von Menschenhandel abnehmen, weil das Bewusstsein für die Gefahren größer geworden ist. Zudem wollen immer mehr Eltern, dass ihre Kinder nicht arbeiten gehen, sondern stattdessen etwas lernen und sich so eine bessere Zukunft ermöglichen.
Eine weitere große Herausforderung steht noch bevor. Während die Menschen in den Teestämmen Assams vor allem als Haushaltshilfen und unbezahlte Arbeitskräfte in Fabriken gehandelt werden, sind die Gründe für den Menschenhandel in Manipur und Nagaland andere. Unsere ersten Erhebungen zeigen, dass junge Frauen in diesen beiden Staaten in Nachbarländer wie Myanmar und Thailand verschleppt und dort in die Sexarbeit gezwungen werden. Dies ist ein schwieriges Thema. Wir sind noch dabei, die Grundlagen für die VCs zu schaffen, und hoffen, dass diese in den kommenden Jahren wesentlich zur Bekämpfung des Menschenhandels zum Zwecke der Prostitution beitragen können.